Langfristige Veränderung und echte Entlastung entstehen, wenn nicht nur Symptome gelindert, sondern auch strukturelle Ursachen erkannt und verbessert werden. Dafür braucht es einen ganzheitlichen Blick auf das Gesamtsystem.

Mehr als nur ein Pflaster
Warum nachhaltige Stressbewältigung ein ganzheitliches Umdenken braucht
Blog | März 2025 | Autorin: Anna Maria Schaupp
„Es reicht nicht, das Feuer zu löschen; man muss auch verhindern, dass es überhaupt entfacht.“ Dieses Zitat von Peter Drucker bringt es auf den Punkt: In vielen Organisationen wird Achtsamkeitstraining und Resilienz-Coaching als Lösung für Stress und Überlastung angeboten. Doch oft behandeln diese Maßnahmen lediglich die Symptome und nicht die tieferliegenden Ursachen.
Stress, Burnout, Resignation oder Konflikte – all diese Phänomene treten nicht isoliert auf, sondern spiegeln häufig strukturelle Probleme wider. Zu schnell wird auf individuelle Lösungen wie Coachings oder ein „Well-being-Training“ zurückgegriffen, die den betroffenen Mitarbeitenden Werkzeuge an die Hand geben sollen, um mit ihren Stressfaktoren besser umzugehen. Ein Seminar für Zeitmanagement oder ein Achtsamkeitstraining erscheint als die perfekte Antwort auf das Problem.
Diese Interventionen sind zweifellos wertvoll und können an der richtigen Stelle und zum richtigen Zeitpunkt eine relevante Wirkung entfalten. Doch sie können auch das Gegenteil bewirken, wenn die Stressursachen nicht auf individueller Ebene, sondern in strukturellen und systembedingten Faktoren liegen. In solchen Fällen können isolierte Ansätze wie Coaching zu mehr Frustration und Überforderung führen. Die betroffenen Mitarbeitenden fühlen sich nicht wahrgenommen und ernst genommen und haben das Gefühl, dass sie die Verantwortung für ihre Belastung alleine tragen müssen. Der Arbeitgeber hat vermeintlich durch das Coaching seine Aufgabe erfüllt – doch die eigentliche Ursache des Stresses bleibt unbehandelt.
Individuelles Stressmanagement: Pflasterklebung für tiefere strukturelle Probleme?
Achtsamkeitstraining und Resilienz-Coachings bieten in der Regel kurzfristige Entlastung. Sie können dabei helfen, im Moment besser mit Herausforderungen umzugehen und die eigene Widerstandsfähigkeit zu stärken. Doch diese Maßnahmen greifen oft nur an der Oberfläche und bieten keine langfristige Lösung. Die Stressursachen, die im individuellen Arbeitsumfeld verankert sind, bleiben unberührt.
Systemische Betrachtung von Überlastungsphänomenen
Es ist von entscheidender Bedeutung, Resilienz und Stressbewältigung nicht isoliert vom organisatorischen Kontext zu betrachten. Der Ursprung von Stress liegt nicht nur im Einzelnen, sondern häufig auch in den Strukturen der Organisation selbst. Faktoren wie unzureichende Führungskompetenzen, unklare Rollenverteilungen, mangelnde Kommunikation und überlastende Arbeitsstrukturen tragen in hohem Maße zur Belastung der Mitarbeitenden bei.
Führungskräfte spielen dabei eine zentrale Rolle. Führungskräfte spielen dabei eine zentrale Rolle. Ein Coaching, das auf Einzelebene unterstützt – sei es durch das Setzen von Grenzen, das Nein-Sagen oder die Fähigkeit, zwischen notwendigen und weniger wesentlichen Aufgaben zu unterscheiden – kann den individuellen Umgang mit Stress erheblich verbessern. Doch ohne eine Veränderung der zugrunde liegenden Strukturen bleibt der Erfolg solcher Maßnahmen meist begrenzt.

Von der Symptombehandlung zu nachhaltigen Lösung
Der richtige Ansatz: Ganzheitliche Veränderung statt kurzfristiger Lösungen
Um nachhaltige Veränderungen zu erzielen, müssen wir uns als Unternehmen die folgenden Fragen stellen:
- Welche strukturellen Rahmenbedingungen begünstigen die Überlastung? Welche Arbeitsprozesse, Tools oder Abläufe müssen angepasst werden, um die Arbeitslast gerechter zu verteilen und die Effektivität zu steigern?
- Welche Führungskompetenzen sind erforderlich? Führungskräfte sollten nicht nur als Manager agieren, sondern auch als Wegbegleiter:innen, die einen psychologisch sicheren Raum schaffen, in dem offen über Herausforderungen, Ängste und Sorgen gesprochen werden kann und Fehler als Teil des Lernprozesses akzeptiert werden.
- Wie beeinflusst die Teamkultur den Umgang mit Stress? Eine Kultur, die Stress als „normal“ ansieht, verstärkt das Problem. Hier sind gezielte Veränderungen in der Teamdynamik und Arbeitsweise gefragt.
- Wo liegen die Stellhebel für eine nachhaltige Veränderung? Woran wollen wir unsere Erfolge messen? Wann ist gut, gut genug? (Achtung: Schlecht gewählte KPIs können hier zum Boomerang werden!) Eine Veränderung muss auf allen Ebenen ansetzen – beim Einzelnen, im Team und in der gesamten Organisation.
Ein ganzheitlicher Ansatz für nachhaltige Veränderungen
Die wirkungsvollste Lösung ist ein ganzheitlicher Ansatz, der das Individuum, das Team und die Organisation einbezieht. Resilienz und Stressbewältigung müssen nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch im Team und auf struktureller Ebene gefördert werden.
Individuen können ihre Resilienz stärken, aber wenn das Arbeitsumfeld ungünstig bleibt, wird es schwierig, langfristig erfolgreich zu sein. Ein starkes Team kann sich gegenseitig stützen, doch auch das Team ist nur so stark wie die Struktur und Führung, die es trägt.
Fazit
Burnout-Prävention und Resilienztraining sind wertvolle Instrumente für ein gesundes Arbeitsumfeld, jedoch dürfen sie nicht als Allheilmittel verstanden werden. Der Schlüssel zu nachhaltigen Veränderungen liegt in einem systemischen Verständnis, das überdas nicht nur die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden hinaus auch die Teamdynamik und die strukturellen Rahmenbedingungen der Organisation berücksichtigt. Nur durch eine ganzheitliche Betrachtung und Veränderung auf allen Ebenen – individuell, im Team und organisatorisch – können wir den eigentlichen Ursachen von Stress begegnen und langfristig für Entlastung und Resilienz sorgen.
Ein gesundes Arbeitsumfeld entsteht nicht nur durch das Arbeiten an den Symptomen, sondern durch Veränderungen an den Wurzeln des Problems.