Gedankenfluss Zurück im Alltag - wie wäre es mit einer Forschungsreise?
Blog | September 2022 | Autorin: Stefanie Fieber-Grandits
Der Sommer neigt sich dem Ende zu, mit ihm endet auch für viele die Urlaubszeit und der Arbeitsalltag beginnt. In vielen Menschen löst diese Einleitung schon Erschöpfung aus. Ich höre Kolleg*innen fragen „Wie war der Urlaub? Bist du gut erholt?“, gefolgt von „Jetzt beginnt wieder der Ernst des Lebens“. Auch der Schulstart der Kinder wird so kommentiert. Es entsteht der Eindruck, der Urlaub sei die Ausnahmezeit des Lebens, die seltene Zeit in der Erholung und Auftanken stattfindet, wo hingegen der Alltag der Erschöpfung dient, gesehen als die Zeit, von der wir eine Auszeit brauchen.
In mir regt sich Widerstand, Erstaunen und wie so oft, wenn ich unreflektiert ein Verhaltensmuster nachahme, auch das Gefühl von ‚Verschwendung meiner Lebenszeit‘. Ich mache mich auf den Weg in den Wald, den Ort, an dem ich meinen Gedanken nachhängen, oder von ihnen Abstand nehmen kann. Ich gehe mit der Frage spazieren: „Was genau ist das, was ich im Urlaub bekomme, was der Alltag nicht erlaubt? Und: … ist das wirklich wahr?“
Urlaubszeit meint für mich vor allem PERSPEKTIVENWECHSEL. Ich erlebe eine tiefe Befriedigung, meine gewohnte Umgebung, meine gewohnten Rituale, die üblichen Abläufe zu verlassen und dem Unerwarteten, dem Neuen, der Überraschung Platz zu machen. Andere Sinneseindrücke, Sprachen, andere Landschaften, andere Menschen in ihren Ritualen zu beobachten lösen mich von dem inneren Auftrag hier mitzugestalten. Ich bin im Zustand der Beobachtung, ohne selbst einen Auftrag zu haben, gelandet. Es ist also auch die APPELLFREIHEIT, die mich im Urlaub entspannen lässt. Das scheinbare „Müssen“ entfällt und wandelt sich zu einer bewussteren Entscheidung geleitet von der Frage „Was möchte ich heute erleben, was brauche ich, damit es mir gut geht?“ Ich beginne den Tag vielleicht mit Yoga, einem Spaziergang an einem neuen Ort, lasse meinen Körper die Führung übernehmen. Er hat das beste Gefühl dafür, was es braucht um, KONGRUENZ im Innen zu ermöglichen. Wenn mein Körper die Führung übernimmt, nicht mein Verstand, verändert sich mein Tempo. Ein natürlicher, mir eigener Rhythmus stellt sich ein und bringt tiefes Wohlgefühl. Interessant scheint mir, dass ich aus diesem Zustand mehr VERANTWORTUNG für mich übernehme. Ich bin mir wichtig und sorge für mich. Mit dieser Bereitschaft für mich zu sorgen, stellt sich auch das natürliche, nicht im Müssen erstickte Bedürfnis ein, Fürsorge für meine Liebsten zu übernehmen. Ich kann ihnen fragend und neugierig begegnen, denn NEUGIERDE (die Hoffnung auf das Neue) ist ja mein „Urlaubszustand“. Ich vertraue ihnen, dass auch sie im Zustand der Autonomie gelandet sind und ihre Bedürfnisse fokussieren können. Sie werden mir erzählen, was sie brauchen, um einen guten Tag zu haben. Es ist auch der gelungene Wechsel aus AUTONOMIE und GEMEINSCHAFT, der für mich den Urlaub so freudvoll und erholsam macht.
Ich kehre aus dem Wald zurück, reich beschenkt durch diese Gedanken und das innere Wissen, was die Schlüssel wären, die ich mich auch in meinem Alltag entspannen lassen. Ich habe Lust auf ein Selbstexperiment: Zumindest einmal pro Woche …
- einen Perspektivenwechsel vornehmen, etwas aus einem anderen Winkel betrachten, etwas Neues probieren.
- einen appellfreien Raum aufsuchen, wo gerade nichts und niemand eine Frage an mich stellt, wo nichts sein muss.
- dem Körper die volle Führung übergeben, spüren was er braucht, achtsam darauf sein, was der nächste echte Körperimpuls wäre.
- echte Verantwortung für mich und meine Bedürfnisse zu übernehmen, bevor ich es für andere tue.
- jemanden mit Neugierde begegnen, frei von Urteil, offen für Neues, wach und bereit.
- bewusst und achtsam, aus mir heraus, anderen gute Fragen über ihre Bedürfnisse stellen und damit Bewusstheit, Gemeinschaft und Autonomie befördern.
Ich arbeite mit Führungskräften. Ich nehme meine innere Reise dorthin mit. Was für eine gute Übung Resilienz zu befördern. Jetzt im Schreiben der Abschlussworte merke ich, wie wichtig mir dieser Artikel ist. Immer schwingt die Sorge mit, dass die echten, wahren Experimente in den sozialen Medien platt und verbraucht klingen, unpersönlich und fiktiv. Aber tatsächlich bin ich Forscherin, Neugierige, Beraterin, Unwissende, eine echte Person. Jede dieser Schlüssel laden zur eigenen Betrachtung und Forschungsreise ein. Sie sind es wert, länger zu verweilen. Sie sind kostbare Quellen von Bewusstheit. Mir kommt die Idee, jedem Schlüssel eine Woche Aufmerksamkeit zu schenken und darüber zu schreiben, versprochen, es kommt von Herzen, aus meiner Realität „Beraterin von Führungskräften, Mutter, Weltbürgerin, Freundin, Gefährtin,…“ zu sein, ohne den „eh-klar-Plattitüden“ zu verfallen… Sie lesen von mir.
Mehr Gedanken, Impulse finden Sie im Podcast Waldgeflüster, im Album und in den Blog-Beiträgen Gedankenfluss.